Interview: Friedrich-Loeffler-Institut antwortet zur Chronic Wasting Disease (CWD)

Die Context-Redaktion hat das Friedrich-Loeffler-Institut ergänzend zu unseren Recherchen zur genaueren Einschätzung der aktuellen CWD (Chronic Wasting Disease) Verbreitung gefragt und folgende schriftliche Antworten bekommen:

Welche (gesundheitlichen/gesellschaftlichen) Auswirkungen hat Chronic Wasting Disease auf uns Menschen?

Die CWD ist seit den 1960er Jahren in Nordamerika bekannt und dort stark verbreitet (Distribution of Chronic Wasting Disease in North America | U.S. Geological Survey (usgs.gov)). Nach aktuellem Kenntnisstand ist CWD bisher nie auf dem Menschen übertragen worden, die Speziesbarriere scheint in diesem Fall sehr hoch zu sein. Prion-Erkrankungen treten jedoch auch im Menschen auf, am bekanntesten ist die Creutzfeldt-Jakob Disease (CJD). Die sogenannte variante CJD (vCJD) wird durch die orale Aufnahme von mit BSE infizierten Lebensmitteln ausgelöst. Etwa 30-40% der Menschen gelten genetisch prinzipiell als empfänglich für BSE, allerdings scheinen noch andere Faktoren die Übertragung zu beeinflussen, da bisher lediglich 230 Menschen daran erkrankt sind (VARIANT CREUTZFELDT-JAKOB DISEASE (ed.ac.uk)).


2. Gibt es bisherige Anzeichen dafür, dass CWD auf den Menschen übertragbar sein könnte? Falls ja, welche Hinweise gibt es dafür?

Aktuelle und retrospektive epidemiologische Untersuchungen in Nordamerika, die insbesondere auf exponierten Personen wie beispielsweise Jägern fokussieren, ergaben keine Hinweise auf eine Übertragung der Erkrankung.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Übertragungsversuche aus den USA und Kanada mit verschiedenen Modelltieren. Während die intrazerebrale Übertragung auf transgene Mäuse nicht gelang, konnten nicht-humane Primaten auf diesen Weg infiziert werden. Zwei orale Infektionsversuche mit nicht-humanen Primaten resultieren in widersprüchlichen Ergebnissen, während bei der US-Studie keine Übertragung erfolgte, zeigte die kanadische Studie Ergebnisse, die noch nicht final eingeordnet werden konnten, da sich bei einzelnen Tieren nach sehr langen Inkubationszeiten (bis zu 81 Monate post infectionem) ein bisher nicht abschließend geklärtes Krankheitsbild zeigte.

 

3. Wie hoch ist das Risiko, dass das Virus nach Österreich/Deutschland kommen könnte?

Transmissible Spongiforme Enzephalopathien werden durch das sogenannte pathologische Prion Protein (PrPSc) verursacht. Dabei handelt es sich um ein infektiöses Eiweiß (und kein Virus), dass das zelluläre körpereigene Prion Protein (PrPC) in einem autokatalytischen Prozess zur Umfaltung in die pathologische Form zwingt.

Die infektiöse Form der CWD breitet sich aufgrund der starken Ausscheidung und der hohen Tenazität (Haltbarkeit bzw. Überdauerungsfähigkeit) des Erregers in der Umwelt kontinuierlich aus und kann durch behördliche seuchenhygienische Maßnahmen in der Regel nur verlangsamt werden (siehe Ausbreitung der CWD in Nordamerika Distribution of Chronic Wasting Disease in North America | U.S. Geological Survey (usgs.gov)). Aufgrund der geographischen Gegebenheiten und der langen Inkubationszeiten wird eine natürliche Einschleppung nach Mitteleuropa vermutlich Jahrzehnte dauern. Ein größerer Risikofaktor ist der Mensch, der durch Importe, Jagdtrophäen und andere Reisetätigkeiten unbeabsichtigt den Erreger aus Skandinavien einschleppen könnte (wie auch bei der Ausbreitung der CWD von den USA nach Kanada und Südkorea).

 

4. Inwiefern könnte eine Übertragung von CWD auf den Menschen eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen, und welche Vorkehrungen werden getroffen, um dieses Risiko zu minimieren?

Nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand kann eine Übertragung von CWD auf den Menschen zwar nicht mit allerletzter Sicherheit ausgeschlossen werden, das Risiko dafür kann derzeit aber als äußerst gering angenommen werden, da die Speziesbarriere für CWD beim Menschen sehr hoch zu sein scheint.

5. Gibt es bereits etablierte Schutz- oder Präventionsmaßnahmen für Menschen, die in Gebieten leben, in denen CWD bei Wildtieren nachgewiesen wurde?

 In Nordamerika und Kanada in der die CWD stark verbreitet ist, wird empfohlen gejagtes Wild vorab testen zu lassen. Diese Maßnahme wird zunehmend angenommen. Auch für Skandinavien gibt es entsprechende Regelungen. 


6. Warum schlagen Experten trotz keiner nachgewiesenen Fälle im Menschen trotzdem Alarm?

Das PrPSc besitzt eine hohe Plastizität und es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Erreger entstehen kann (intrinsisch im Menschen selbst oder wie bei der BSE im Tier), der die Ausscheidungs- und Übertragungsfähigkeit hat, die die CWD oder die Scrapie innerhalb ihrer jeweils eigenen Spezies haben. Sollte dieser Fall eintreten würde das bedeuten, dass alle genetisch empfänglichen Menschen von einem Erreger betroffen wären, der nicht behandelbar ist und eine hohe Tenazität in der Umwelt aufweist.  

Der Ursprung der CWD in Skandinavien (sie ist nicht importiert) ist ebenso wie der der Klassischen BSE („Fall Null“, der erste Fall der das Tiermehl in der 1970er Jahren in England erstmals kontaminierte) unklar. Um die Entstehung weiterer gefährlicher Prionstämme für den Menschen zu verhindern, gibt es - weiteren Forschungsbedarf. Hierfür bedarf es allerdings zunächst der nötigen Awareness für das Gefährdungspotenzial das von diesen Erkrankungen ausgehen kann.

 

7. Gibt es Pläne für zukünftige Forschungsprojekte oder Initiativen, die darauf abzielen, das Verständnis von CWD und seiner potenziellen Übertragung auf den Menschen zu vertiefen?

Am FLI gibt es mehrere Forschungsprojekte zum Thema Prionerkrankungen

Speziell zu CWD:

  • Aktuell findet ein Forschungsprojekt statt („TCWDE“, gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL im Rahmen des Forschungsprogramms  ICRAD ERA NET) bei der die Empfänglichkeit der einheimischen Rot-, Reh- und Sikawildes für die Erkrankung untersucht wird.

  • Kürzlich wurde in Deutschland ein Projekt zur aktiven Überwachung von CWD für zwei Jahre begonnen (gefördert durch die EU) 

Zur Entstehtung neuer Prionstämme:

  • Scrapie in Island („ScIce“, gefördert durch das BMEL im Rahmen des ICRAD ERA NET). U.a. wird dabei der Fragestellung nachgegangen, wie neue Prion Stämme entstehen können (Prionstamm-Evolution)

  • BSE ist ab 2024 Mittelpunkt eines Forschungsprojekt (gefördert durch die EU), das u.a. auch Fragen zur Prionstamm-Evolution und mögliche Ähnlichkeiten mit der zoonotischen BSE adressiert.

 

Tana Badic

Tana, mit ihrer Begeisterung für Sprache und Kommunikation, fand ihren Weg zunächst durch ein Studium der Sprachwissenschaften. Dabei entwickelte sie schnell eine besondere Leidenschaft für politische Sprache und Rhetorik, weshalb sie sich auf Politolinguistik spezialisierte. Ihr Interesse führte sie schließlich zu einem Masterstudium in Politischer Kommunikation nach Amsterdam. Tana sammelte bereits journalistische Erfahrungen beim biber Magazin, wo sie ihre Vorliebe für das Schreiben und Recherchieren entdeckte.

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