Corona in Österreich: Kickls kontroverse Ansichten und die Realität hinter den fehlenden Maßnahmen

Österreich vermeldet derzeit die höchsten Corona-Infektionszahlen seit Pandemiebeginn, jedoch fehlen aktuell verschärfte Maßnahmen. Herbert Kickl, FPÖ-Parteichef, äußert sich in einem kontroversen Parlamentsvideo dazu. Er argumentiert, dass die Rahmenbedingungen identisch mit den Vorjahren seien. Die Abwesenheit strenger Maßnahmen seien dabei auf das Engagement der FPÖ zurückzuführen.

Von Tana Badic

Vergleicht man die Corona Situationen der letzten Jahre mit der jetzigen Corona Welle fällt eines ganz klar auf: Kein Lockdown, keine Masken und auch kein Testen mehr. Die österreichische Bevölkerung lebte, arbeitete und feierte durch die Weihnachtssaison, als ob nichts wäre. Währenddessen aber schlug die Statistik Alarm. Bis zu 3000 Krankenstände verzeichnete die ÖGK im Dezember, davon ein Drittel wegen Corona Infektionen. Außerdem verrieten Daten aus dem Abwassermonitoring, dass die heurige Corona Welle tatsächlich die höchste ist seit Beginn der Pandemie ist. Dennoch blieb die Einführung altbekannter Corona Maßnahmen dieses Mal aus.

FPÖs Parteichef Herbert Kickl zeigte sich dabei in einem TikTok Video vom 03.12.2023 aus einer Parlamentssitzung verärgert. Man sehe nicht ein, wieso die “Corona-Hysteriker” von damals so tun, als ob heute nichts wäre, obwohl die Infektionszahlen nie höher und die Rahmenbedingungen genau dieselben seien. Man habe die Bevölkerung eingesperrt und terrorisiert in den vergangenen Jahren, während die Situation jetzt zeigt, dass dies gar nicht nötig gewesen wäre. 


Andere Rahmenbedingungen als vor vier Jahren

Ob die Rahmenbedingungen wirklich dieselben waren, lässt sich bestreiten. Denn die Wahrheit ist: Ganz die gleichen Umstände haben wir aktuell in dieser Corona Welle nicht wie in den vergangenen Jahren. Einerseits haben wir jetzt sicheren Zugang zu Impfstoffen und Medikamenten. Dadurch verlaufen Erkrankungen sehr viel leichter, kürzer, mit weniger Komplikationen und weit weniger Todesopfern. Zusätzlich sind Arbeitsausfälle zwar vorhanden, gefährden aber nicht die Funktionsfähigkeit des Systems und der Wirtschaft. Der wichtigste Unterschied aber: das Gesundheitssystem ist weit entfernt von einer Überlastung. Statistiken zeigen, dass die Hospitalisierung von Corona-PatientInnen aktuell weitgehend niedriger ist als in vorherigen Jahren. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos von Kickl gab es rund 1300 Hospitalisierungen aufgrund von Corona. Zum Vergleich: In der Hochphase lagen rund 25000 an Corona erkrankte PatientInnen in Krankenhäusern. Selbst zu Beginn der Pandemie lag diese Zahl noch bei rund 4000.

Auch wissenschaftlich sei die Behauptung, dass die Corona-Situation nun die gleichen Rahmenbedingungen wie vor vier Jahren habe, nicht nachvollziehbar, hieß es seitens Corona-Experten*. Zu Beginn der Pandemie stieß die menschliche Bevölkerung erstmals auf ein neuartiges Virus, das zuvor noch nie im menschlichen Organismus zirkuliert hatte. Da das menschliche Immunsystem nicht darauf vorbereitet war, kam es zu einer vergleichsweise hohen Anzahl von schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen. Aktuell sieht es anders aus. Heute ist im Gegensatz zu damals das Immunsystem der meisten Menschen bereits in unterschiedlicher Form trainiert, und es hat sich ein sogenanntes immunologisches Gedächtnis ausgebildet, sei es durch Impfungen, natürliche Infektionen oder durch eine Hybrid-Immunität. Dies hat dazu geführt, dass das Immunsystem besser mit dem Virus umgehen kann, und die Anzahl der schwerwiegenden akuten Krankheitsfälle deutlich gesunken ist. Der entscheidende Unterschied liegt demnach in den immunologischen Veränderungen im menschlichen Organismus. "Diese Veränderungen sind ein Grund, warum sich die Rahmenbedingungen trotz zuletzt sehr hoher Infektionswelle stark geändert haben. Das erklärt auch, warum derzeit keine drastischen Maßnahmen mehr ergriffen werden.", erklärt der Experte.

Das COVID-19-Maßnahmengesetz

Seit Sommer 2023 wurde offiziell das Ende der Pandemie in Österreich erklärt. Die Meldepflicht wurde aufgehoben, es gibt keine Maskenpflicht und auch die Bewegungseinschränkungen gelten nicht mehr. Trotz steigender Infektionszahlen werden diese auch nicht wieder eingeführt. Laut Kickl haben wir das vor allem der FPÖ zu verdanken. “Der einzige Grund, wieso das jetzt anders ist, ist eine starke freiheitliche Partei, die im Schulterschluss mit der österreichischen Bevölkerung, ihnen das Handwerk gelegt hat,” so der FPÖ Parteichef. 

Dass die FPÖ wirklich die Ermöglichung von neuen Corona Maßnahmen gestoppt hat, entspricht nicht ganz der Realität. Aus der Parlamentskorrespondenz vom 27.04.2022 geht hervor, dass die Regierung eine Verlängerung des COVID-19-Maßnahmengesetzes bis Ende Juni 2023 beschlossen hatte. Dieses Gesetz bildet die rechtliche Grundlage für die Maßnahmen, die von der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erlassen wurden. Dabei kam es zu einem Initiativantrag auf eine mögliche Verlängerung bis zum 31. Dezember 2023, welcher durch eine Verordnung der Bundesregierung gestellt werden konnte. Die FPÖ und die Neos stellten sich dagegen, jedoch wurde der Antrag mit den Stimmen der ÖVP, Grünen und SPÖ letztendlich durchgesetzt.


Keine Corona-Maßnahmen in Österreich: FPÖ spielt keine entscheidende Rolle

Trotz der Möglichkeit zur Verlängerung des COVID-19-Maßnahmengesetzes nach dem Juni 2023 wurde diese nicht in Anspruch genommen. Einschränkungen von Freiheitsrechten, wie sie in bisherigen Corona Situationen von der Regierung beschlossen worden sind, wären laut Gesundheitsminister Rauch nur bei einer Überlastung des Gesundheitssystems gerechtfertigt. Davon wäre man weit entfernt. Seit dem 1.Juli 2023 gibt es in Österreich demnach keine rechtliche Grundlage mehr für die Einführung von Corona Maßnahmen. Eine neue Corona-Welle, wie wir sie aktuell erleben, ändert an diesen Umständen auch nichts. Somit hat die FPÖ weder bei dem Beschluss der Verlängerung des COVID 19-Maßnahmengesetzes, noch heute in direkter Weise verhindert, dass wir in der aktuellen Corona-Welle keine Maßnahmen und Einschränkungen mehr haben.

*Der Experte wollte aus innenpolitischen Gründen namentlich nicht genannt werden.

Tana Badic

Tana, mit ihrer Begeisterung für Sprache und Kommunikation, fand ihren Weg zunächst durch ein Studium der Sprachwissenschaften. Dabei entwickelte sie schnell eine besondere Leidenschaft für politische Sprache und Rhetorik, weshalb sie sich auf Politolinguistik spezialisierte. Ihr Interesse führte sie schließlich zu einem Masterstudium in Politischer Kommunikation nach Amsterdam. Tana sammelte bereits journalistische Erfahrungen beim biber Magazin, wo sie ihre Vorliebe für das Schreiben und Recherchieren entdeckte.

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