Warum Kameras oft nur 29 Minuten filmen

Ist die EU schuld an technologischen Beschränkungen bei uns käuflicher Digitalkameras? Ein TikToker will einen Zusammenhang zwischen Zollbestimmung und einer maximalen Videoaufnahmedauer von Digitalkameras gefunden haben. Mit seiner Theorie ist er nicht allein. 

Sobald die Möglichkeit besteht, Videos von 30 Minuten oder mehr aufzunehmen, gelte das Gerät als Camcorder. Dann fiele ein höherer Zoll an. So erklärt der Betreiber des TikTok-Kanals art.factory in einem Video vom 22. Jänner, dass “kaum eine Kamera, die man in Europa kaufen kann”, länger als 29 Minuten und 59 Sekunden filmen kann. Ein nicht wenig weit verbreitetes Missverständnis. 


Das Missverständnis und die aktuelle Regelung

Die Existenz dieses Missverständnisses ist auch kein Wunder. Eine Google-Suche zu dem Thema kann je nach verwendeten Suchbegriffen leicht auf Seiten führen, die einem erzählen, die EU würde einen Einfuhrzoll auf Videokameras erheben. Eines der Kriterien, durch die sich eine Videokamera von einer Fotokamera mit Videofunktion abgrenzt, ist die mögliche Aufnahmedauer von 30 Minuten oder mehr. Der Knackpunkt: Diese Informationen basieren auf mittlerweile veralteten Zollregelungen. 

In der Tat herrschte bis vor einigen Jahren eine Regelung der EU, wonach auf derartig definierte Videokameras ein Einfuhrzoll von 4,9% anfiele. Dieser Zoll wurde jedoch nach der Erweiterung des Information Technology Agreements (ITA) der Welthandelsorganisation (WTO) schrittweise abgeschafft. 

Das Information Technology Agreement ist eine Vereinbarung der WTO, die darauf abzielt, Handelshemmnisse im Bereich der Informationstechnologie zu beseitigen. Das Abkommen wurde erstmals 1996 geschlossen und 2015 durch Verhandlungen erweitert. Inzwischen zählt das Abkommen 82 teilnehmende Nationen, die zusammen 97% des Welthandels an IT-Produkten abdecken. 


Das Fortbestehen der Beschränkung

Zusätzlich für Verwirrung sorgt, dass viele im Handel erhältliche Digitalkameras immer eine auf 29 Minuten und 59 Sekunden beschränkte Aufnahmedauer haben. In einigen Fällen lässt sich das leicht dadurch erklären, dass sie vor der Änderung der Zollbestimmungen hergestellt wurden. In den anderen Fällen, spekuliert Mega-Testberichte, könnte es sich um eine Bemühung handeln, die Überhitzungsgefahr und den Verschleiß zu reduzieren. 


Max Hofstätter

Max hat über einen nichtlinearen Bildungsweg schließlich im Journalismus seine Leidenschaft gefunden. Erste Redaktionserfahrung als freier Mitarbeiter beim niederländischen Online-Magazin SvJMedia gesammelt. Für das Ressort Arts, Culture & Lifestyle Storytelling unter anderem Reportagen in Bulgarien produziert. War Praktikant bei tag eins und ist inzwischen stolzer Praktikant bei Context. Schreibt neben Artikeln derzeit seine Bachelorarbeit im Studiengang Journalismus und Medienmanagement an der FH Wien der WKW.

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TikTok-Gerüchte und Gaunerzinken