Fifty Shades of Sanctions

Erstellt mit Adobe Firefly

Die USA sollen Sanktionspolitik über schwarze und weiße Listen betreiben. Länder auf schwarzen Listen seien sanktioniert, der Handel mit ihnen untersagt. Amerikanische Unternehmen könnten auf weiße Listen kommen und müssten sich dann nicht an die Sanktionen halten. Eine so grobe Vereinfachung, dass sie eigentlich schon Falschinformation ist. 

Hoss Krypto, mit bürgerlichem Namen Kian Hoss, gibt sich in einem TikTok-Clip brüskiert. Der auf Kryptowährungen und Blockchain spezialisierte Influencer zeigt mit dem Finger auf die Sanktionspolitik der USA. Wenn die USA ein Land sanktionieren, würden sie es für "böse" erklären und auch Drittstaaten unter Druck setzen, den Handel mit ihm zu unterlassen. Wer trotzdem mit dem Land handelt, könnte auf eine "schwarze Liste" kommen und ebenfalls sanktioniert werden. Gleichzeitig führten die USA aber "weiße Listen" mit heimischen Unternehmen, die sich nicht an die Sanktionen halten müssen. Das Framing ist klar: Die heuchlerische Weltmacht nutzt ihre wirtschaftliche Vormachtstellung, um willkürlich ihre Interessen durchzusetzen. Wie die Sanktionen der USA behördlich ablaufen und wer von ihnen betroffen ist, zeigt aber: Es ist mal wieder komplizierter als es in einem halbminütigen Video erscheint. 


Die weißen Schattierungen

In den USA ist das Office of Foreign Assets Control (OFAC) zuständig für Sanktionen gegen Staaten, Organisationen und Individuen. Im Auftrag des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten recherchiert es Ziele für Sanktionen und setzt sie um. Im Weiteren kümmert es sich um die Verwaltung, Überwachung und Aufrechterhaltung der Sanktionen. In diesem Sinne ist das OFAC befugt gegen Personen, einschließlich Nicht-US-Personen, die gegen die so erlassene Gesetze und Vorschriften verstoßen, zu ermitteln und gegebenenfalls zivilrechtliche Geldstrafen zu verhängen. 

Eine weitere Funktion des OFAC deckt sich wirklich zumindest teilweise mit dem, was Hoss Crypto als “weiße Listen” bezeichnet. Das OFAC kann mittels Bewilligungen Transaktionen und Aktivitäten genehmigen, die andernfalls unter eine Sanktion fallen würden. Davon gibt es zwei Gattungen. Rahmenbewilligungen gestatten bestimmten Personen bestimmte Arten von anderweitig sanktionierten Transaktionen. So wird zum Beispiel ermöglicht, dass die US-Regierung und US-amerikanische NGOs weiterhin humanitäre Hilfe nach Afghanistan senden. Auch gibt es Rahmenbewilligungen für den Import spezifischer Kategorien von Fischen und Meeresfrüchten aus Russland. Die zweite Gattung wird einfach Bewilligungen genannt. Auch diese gestatten bestimmte anderweitig sanktionierte Transaktionen, und sie können von jedem beantragt werden. Ein häufiges Beispiel wäre die Bewilligung, wieder auf ein eingefrorenes Vermögen zugreifen zu dürfen. Und ja, theoretisch stellen diese Bewilligungen einen Weg für Unternehmen dar, US-Sanktionen zu ignorieren. In der Praxis werden diese Anträge aber streng geprüft. Bewilligungen werden normalerweise nur aus humanitären Gründen erteilt, um den Zugang zu sonst nicht verfügbaren Produkten oder Dienstleistungen zu gewährleisten, oder wenn es einem besonderen Interesse der USA dient. 


Die schwarzen Schattierungen

Letzteres könnte nun tatsächlich den Anschein erwecken, die USA könnten mittels “schwarzer Listen” willkürlich Länder zu Außenseitern des Welthandels machen, dabei aber mittels “weißer Listen” eigenen Unternehmen Privilegien schaffen. Allerdings geht Hoss Krypto grundsätzlich von einer falschen Annahme aus. Der Influencer stellt es so dar, als würden die USA jedem Land, das mit einem von ihnen sanktionierten Land Handel treiben will, ebenfalls mit Sanktionen und sogar einem Ausschluss aus ihrem Bankensystem drohen. Dass dem nicht so ist, zeigt sich schon daran, wie viele Länder immer noch mit Russland Handel treiben, ohne selbst von den USA sanktioniert worden zu sein. 

Derzeit befinden sich um die 30 Länder auf der Liste der Sanktionsprogramme des OFAC. Dabei ist es keineswegs so, dass diese Sanktionsprogramme jeweils ein ganzes Land sanktionieren. Manche beziehen sich überhaupt nicht auf einzelne Nationen oder zu diesen gehörende Organisationen. Die von George W. Bush verhangenen Balkansanktionen zielen auf Einzelpersonen, wie etwa Extremisten, die internationale Bemühungen zur Stabilisierung der Region bedrohen. Die Sanktionen gegen China betreffen gewisse Institutionen, Mitglieder der Regierung, der KPCh, gewisse Firmen mit Verknüpfungen zum chinesischen Militär und Einzelpersonen, die der Missachtung von Menschenrechten bezichtigt wurden. Trotzdem gibt es noch Handel zwischen den USA und China. In einem Szenario, wie Hoss Krypto es heraufbeschwört, könnte das nicht so sein und die USA müssten auch allen anderen Handelspartnern Chinas wenigstens mit Sanktionen gedroht haben. Aber die Realität lässt sich eben nicht in Schwarz und Weiß einteilen.

Max Hofstätter

Max hat über einen nichtlinearen Bildungsweg schließlich im Journalismus seine Leidenschaft gefunden. Erste Redaktionserfahrung als freier Mitarbeiter beim niederländischen Online-Magazin SvJMedia gesammelt. Für das Ressort Arts, Culture & Lifestyle Storytelling unter anderem Reportagen in Bulgarien produziert. War Praktikant bei tag eins und ist inzwischen stolzer Praktikant bei Context. Schreibt neben Artikeln derzeit seine Bachelorarbeit im Studiengang Journalismus und Medienmanagement an der FH Wien der WKW.

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